Die Wienerin
Pünktlich zu Ostern soll es bei der wöchentlichen Buchvorstellung mal wieder etwas farbiger zugehen. Eigentlich war es in den 1960er Jahren ja noch nicht allgemein üblich ein Fotobuch in Farbe zu publizieren. Beispiele gibt es natürlich trotzdem eine beachtliche Anzahl, darunter auch eine ganze Reihe Städtebildbände.
Einen Städtebildband der etwas anderen Art veröffentlichte die österreichische Fotografin Barbara Pflaum (1912-2002) im Jahr 1965. Eigentlich geht es nicht um die Stadt, sondern, wie der Titel des Buches schon sagt, um ihre Bewohnerinnen. Und diese Wienerinnen aller Altersklassen werden dann auf den Seiten des Buches, das die Fotografin dem Gedenken an ihre Mutter widmete, in ca 180 Abbildungen gezeigt.
Bunt gemischte Bilder
Die bunt gemischten Bilder zeigen viele Porträts, die als Kopfbilder oder Schulterstücke ausgeführt sind, dann aber auch wieder Fotografien, die stärker das Umfeld der abgebildeten Personen miteinbeziehen. Es gibt kurze Sequenzen aus Ballsälen oder von Theaterbühnen, genauso wie Bilder von Marktfrauen und Verkäuferinnen. Wienerinnen, die ihre Hunde ausführen, sind zu sehen, aber auch Betende in einer Kirche.
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Barbara Pflaum arbeitete als Bildjournalistin, laut Eintrag bei Wikipedia insbesondere für die Wochenpresse, eine österreichische Wochenzeitung, bei der sie von 1955 bis 1977 angestellt war. Ihre Arbeit ist recht gut dokumentiert durch das ca 150.000 Negative und Diapositive umfassende Archiv der Fotografin, das sich im Besitz von IMAGNO, einer österreichischen Bildagentur befindet. Wer auf der dortigen Website nach Fotografien Barbara Pflaums sucht, landet mehr als eintausend Treffer und kann sich eine ganze Weile durch ihren Bilderkosmos klicken: www.imagno.at
Kleine Anthologie
Eingeleitet wird das Buch mit einem Text von Hans Weigel, der sich ein bisschen damit müht, zwischen Allgemeinplätzen das Typische an der „Wienerin an sich“ herauszuarbeiten, um dann doch lieber auf die Fragwürdigkeit des Unterfangens zu verweisen und sich auf eine „aufrichtige Liebeserklärung“ herauszureden. Zwischen den Bildern finden sich immer wieder Texte verschiedenster AutorInnen von Heimito von Doderer über Marie von Ebner-Eschenbach, Karl Kraus, Johann Nestroy, Joseph Roth, Arthur Schnitzler und Kurt Tucholsky bis zu Stefan Zweig, so dass es sich zugleich um eine kleine Anthologie zum Thema handelt. Wobei diese Aufzählung der Autoren bei weitem nicht komplett ist. Ausgewählt wurden die Texte von Elisabeth Pablé.
Aber zurück zu den Fotografien Barbara Pflaums: Das vorliegende Buch kann die Spannung nicht wirklich über die ganze Länge halten. Eine etwas stringentere Auswahl und Sequenzierung hätte der Gesamtwirkung wahrscheinlich gut getan. Aber es sind genügend bemerkenswerte Einzelbilder auf diesen Seiten enthalten und es zeigen sich auch eine ganze Reihe intelligenter Ideen für die Kombination derselben. Das können farbliche Akzente sein, welche die Bilder verbinden, aber auch inhaltliche Bezüge der Bilder untereinander, wie bei der hier abgebildeten Doppelseite zum Thema „Auto“. Auch die Herstellung eines Bezugs zwischen Bildern und Texten der jeweiligen Seiten wird oftmals deutlich.
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Kodak Ektachrome und Rolleiflex
Wie früher oft üblich, findet sich ein kurzer Hinweis auf die verwendete Kamera und das Filmmaterial. Es handelt sich um Kodak Ektachrome, der in einer zweiäugigen Rolleiflex verwendet wurde. Das macht sich vielleicht in der eigentümlichen Farbigkeit der Bilder und den oftmals abgedruckten quadratischen Formaten bemerkbar. Wobei sich aber auch auf Panoramaformate beschnittene Aufnahmen oder kreisrunde und ovale Ausschnitte finden. Das letzte Bild des Buches ist ein kleinformatiges (Selbst?)-Porträt der Fotografin, das sie mit ihrer Rolleiflex zeigt.
Das mir vorliegende Exemplar ist gebunden in graues Leinen mit roter Schrift. Vom Buch gibt es aber mindestens noch eine weitere Einbandvariante, nämlich mit rotem Leinen und in diesem Fall goldener Schrift. Die geprägten Ornamente und die montierte Fotografie schmücken beide Varianten. Wiederholt wird das Ornament auf dem Titelblatt des Buches. Die grafische Gestaltung lag im Übrigen bei Walter Pichler.
roter Einband (Dank für den Scan an Thomas Wiegand!) | Titelblatt |
Vielleicht trifft eine Ausstellungsbesprechung zu einer Retrospektive mit den Werken Barbara Pflaums aus dem Jahr 2006 es ganz gut. Dort wird von "aussdrucksstarken Porträts, ihrer besonderen Stärke" gesprochen und das Fazit gezogen: "... insgesamt ein ebenso informativer wie von Witz und Charme geprägter Bilderbogen einer Ära.“ Den gesamten Text dieser Ausstellungskritik finden Sie HIER
Fakten:
Barbara Pflaum: „Die Wienerin“, Salzburg, 1965
Residenz Verlag
160 Seiten, 180 Abbildungen in Farbe, 20,5 cm x 17,5 cm
Leinen-Einband mit Prägung und montierter Fotografie in transparentem Schutzumschlag
Eintrag zur Fotografin bei Wikipedia mit weiterführenden Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Barbara_Pflaum