auto-portrait

Autor(en): 
Daido Moriyama: "auto-portrait", Tokio 2010

Vielleicht passt es im Vorgriff auf das Fotobuchfestival in Kassel im Oktober ganz gut hier ein Buch des "Stargasts" Daido Moriyama vorzustellen. Seine nur noch schwer aufzutreibenden und manchmal kaum noch bezahlbaren Klassiker habe ich leider nicht bei mir im Regal stehen. Aber es gibt, neben den bei Kodansha in Taschenbuchform erschienen Neubearbeitungen dieser so gesuchten Werke, eine ganze Reihe weiterer Bände von ihm, die durchaus erschwinglich sind. In Anbetracht der Anzahl seiner bisher erschienen Bücher ist er bestimmt einer der produktiveren Fotografen. Oft werden dabei schon bekannte Bilder in neuen Kombinationen in Buchform gebracht. Eine Vorgehensweise, die Moriyama in Aktionen schon mehrmals so weit getrieben hat, dass der einzelne Abnehmer sich die selber ausgewählten Bilder in der gewünschten Abfolge zusammenstellen konnte. 

Match and Company

Ein schönes Beispiel für eine solche Wiederverwertung von andernorts schon veröffentlichten Fotografien stellt auch dieses Buch mit Selbstporträts Moriyamas dar. Wobei bewusst der Titel "auto-portrait" gewählt wurde, um darauf hinzuweisen, dass die meisten der ausgewählten Aufnahmen nicht wirklich durchkomponierte Selbstporträts sind, sondern die Person des Fotografen quasi nebenbei oder "automatisch" in ihnen auftaucht, vor allem als Schatten oder Reflexion. Erschienen ist das Buch im Jahr 2010 bei Match and Company, als erste Publikation unter dem Label MMM. Die drei "M", die silberfarben eingeprägt auch auf dem Rücken dieses Buches prangen, stehen für die Namen (Daido) Moriyama, (Satoshi) Machiguchi und (Hisako) Motoo. Wobei im Buch Satoshi Machiguchi als Art Director und Publisher firmiert und Hisako Motoo als Editor und Producer genannt wird. Informationen und auch ein paar Abbildungen von Doppelseiten zu den drei unter dem Label MMM bisher erschienen Büchern finden sie hier.

Schatten und Spiegelungen

Das auf dem Cover montierte Bild ist eines der wenigen, welches den konventionellen Erwartungen an ein Selbstporträt einigermaßen entspricht. In manch anderen Fällen lässt sich der Schatten Moriyamas oder seine Spiegelung in einem Schaufenster, Monitor oder einer anderen reflektierenden Fläche kaum im Gewirr der Kontraste entdecken. Natürlich hat man das so ähnlich bei anderen Fotografen auch schon gesehen, erinnert sei nur an Lee Friedlanders Buch "Self Portrait" aus dem Jahr 1970.  Aber im Falle Moriyamas zeigt diese Zusammenstellung aus ziemlich genau 40 Jahren Fotografie, die ausgewählten Aufnahmen stammen nämlich aus den Jahren 1969 bis 2009, besonders augenfällig, wie eng die Person des Fotografen mit seinem Werk verknüpft ist, ohne deshalb eine einfache wechselseitige Erklärung und Deutung zu ermöglichen.

Signatur Moriyamas auf dem Vorsatz

 

Denn einen Teil der Faszination der Arbeiten Moriyamas macht für mich aus, dass er trotz einiger Konstanten in seinen Bildkonstruktionen als Autor mit seinen Absichten oder Strategien nie wirklich fassbar wird. Und das tritt in dieser Zusammenstellung von "auto-portraits" vielleicht noch deutlicher als sonst zu Tage. Selbst wenn man das Coverbild in Anbetracht des ultramarinblauen Rahmens und des geringelten Shirts, das Moriyama trägt, als Reminiszenz an seinen Jugendtraum von der Seefahrt interpretiert, ist das wahrscheinlich wieder nur eine weitere Camouflage, hinter der sich ganz andere Träume des Künstlers verbergen, der ja in jungen Jahren auch an eine Karriere als Maler oder als Schauspieler dachte. Spannend ist auf alle Fälle, dass sich die Bilder trotzdem nicht im völlig Ungefähren verlieren. Der Schatten Moriyamas auf dem Reifenstapel löst sich zwar quasi in dunklen Flecken auf der dahinterliegenden Wand auf, aber die Profilstruktur der Reifen ist sehr konkret abgebildet, genau wie das Metallgitter im vorhergehenden Bild, das die typischen, harten Kontraste zeigt.

"Near equal Moriyama Daido"

Die Bilder geben bei aller zeitweiligen Uneindeutigkeit dessen, was da wirklich abgebildet ist, zugleich einen ziemlich realistischen Einblick in die Arbeitsweise Moriyamas. Wer ihn zum Beispiel im Film "Near equal Moriyama Daido" von 2001 beim Fotografieren beobachtet, der wird in den Schatten und Reflexionen immer wieder den auf typische Weise gebeugten rechten Arm, der die Kamera hält, auftauchen sehen.

Simon Baker hat für dieses Buch einen Text in englischer Sprache verfasst, der auf einige Aspekte der Arbeiten Moriyamas eingeht, ihn historisch zwischen Breton, Atget und William Klein verortet und zugleich die fürs Buch ausgewählte Form der "auto-portraits" erläutert. So erfährt man zum Beispiel, dass eines der Bilder schließlich keinen Schatten bzw. keine Reflexion des Körpers Moriyamas mehr enthält, sondern stattdessen als Verweis auf den fotografischen Autoren im Hintergrund des Bildes seine Lieblings-Bar zeigt. "And this book, Moriyama's carefully assembled album of half-reflected ghosts and cast shadows, is itself an engagement with the unknowable space of memory, more of a recollection than a collection of photographs: figures found lurking in the misty shop windows and deserted roads of abandoned contact-sheets."

Kartonschuber

 

Der schlichte, nach zwei Seiten offene Schuber aus Karton ist auf der Vorderseite nur versehen mit dem aufgestempelten Titel, auf der Rückseite befindet sich die Nummer des Buches, das in einer Gesamtauflage von tausend Exemplaren erschienen ist. Ein schöner Kontrast zum edlen Erscheinungsbild des eigentlichen Buches, das nicht nur durch das Vorsatzpapier in tiefem Schwarz beginnt und endet.

 


 

Fakten:

 

Daido Moriyama: „auto-portrait“, Tokio, 2010

Match and Company

ohne ISBN

84 Seiten, 36 S/W-Abbildungen, 26 cm x 18,5 cm

Leinen-Einband mit montierter Fotografie

Auflage: 1000 nummerierte Exemplare

 


 

Daido Moriyama