Ich kam aus den zerbombten Städten
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Nicht alle Bücher, die Sie auf diesen Webseiten finden, enthalten vor allem Bilder. Ein Fotobuch im eigentlichen Sinne, ist auch der hier vorgestellte Band von Wolf Strache nicht. Es ist eine Sammlung von Reportagen aus der Nachkriegszeit, als Textberichte in den Jahren 1946 und 1947 erschienen u.a. in der Monatszeitschrift „Stuttgarter Rundschau“. Allerdings wurden die Texte von Strache 1987 für diesen Band überarbeitet.
Fotograf, Herausgeber, Textautor
Wolf Strache wird den meisten bekannt sein als langjähriger Herausgeber von „Das deutsche Lichtbild“. Oder auch als Fotograf und Verleger der Reihe „Die schönen Bücher“. Die hier vorliegende Sammlung von Reportagen zeigt ihn vor allem als Textautoren. Ein Anhang mit 33 Fotografien bietet aber auch einen kleinen Ausschnitt aus seinem fotografischen Schaffen dieser Zeit. Die gezeigten Beispiele könnte man als typische „Trümmerfotografien“ bezeichnen. Eröffnet wird der Bildteil aber mit seiner vielleicht bekanntesten, aus dem Jahr 1943 stammenden Fotografie: Auf dieser schiebt eine Frau mit Gasmaske über dem Kopf und wehendem Umhang einen hellen Kinderwagen an der Front eines offensichtlich beschädigten Kinos vorbei, das für den Film „Reise in die Vergangenheit“ wirbt.
Straches Texte sprechen vom Gegenteil, einem Aufbruch in die Zukunft. Da fehlt, neben der Beschreibung der Zerstörungen und der Probleme der damaligen Gegenwart, eigentlich nie der Ausblick auf eine bessere Zukunft. Typisch ist hier sein Schlusssatz im Artikel zu Köln: „Spürbar lebt die Tradition dieser 2000 Jahre noch in den Ruinen. Es kann kein Zweifel sein, daß der Brückenschlag ins Morgen gelingt.“ Einzelne der Artikel widmen sich u.a. Berlin, Kassel, Pforzheim, Dresden, Nürnberg oder Hamburg. Aber auch als Lyriker lernt man Strache in diesem Band kennen. Zum einem in dem titelgebenden Text zu Soest, Münster und Paderborn. Und dann auch in dem den Textteil abschließenden Gedicht „Danach“, das einen Gedanken aus seiner Einleitung wieder aufnimmt: die Verwunderung über „unser gegenwärtiges Leben im Überfluß“. Das Ende dieses Gedichts sei hier kurz ebenfalls zitiert:
„... und die metallenen vögel
die damals tod und verderben brachten
tragen uns nun
in stundenschnelle
an den strand
sonniger inseln.“
Text zu Tübingen
Es gibt auch einen Text zu Tübingen, als einer von den Zerstörungen des Krieges weitgehend verschonten Stadt. Und der zeigt deutlich, dass Strache die zwölf Jahre des „Tausendjährigen Reichs“ nur am Rande streift. Auch wenn sie ursächlich für die geschilderten Zerstörungen sind. Ausgangspunkt für die Zukunft ist für ihn aber eine andere Vergangenheit als die der Nazizeit. „Denn auch das gehört zum Charakter dieses Musterstädtchens: daß sich seine Einwohner ihrer geistigen Tradition bewußt sind, daß sie neu begreifen, daß Deutschlands Rolle in der Welt nur auf seiner geistigen und künstlerischen Kraft beruhen kann, wie sie von einem Kepler, Hegel und Hölderlin ausgegangen ist.“
Wolf Strache lässt sich in diesem Buch in neuen Facetten entdecken. Vielleicht schade, dass manches in seinen für diese Veröffentlichung bearbeiteten Fassungen der Texte geglättet wirkt. Ein Blick in die Originale könnte interessant sein.
Fakten :
Wolf Strache : „Ich kam aus den zerbombten Städten, Berichte aus Deutschland 1945“, Düsseldorf, 1988
Droste Verlag
ISBN : 3-7700-0771-9
188 Seiten, 33 s/w Abbildungen, 22,5 cm x 14,5 cm