Vom lügenhaften Hündchen

Emanuel Frynta, Jan Lukas: "Vom lügenhaften Hündchen", Prag 1962

Viele Kinderbücher verwenden als ihre Protagonisten gerne „vermenschlichte“ Tiere. Das gilt auch für einen hohen Prozentsatz der gar nicht so zahlreichen fotoillustrierten Exemplare des Genres. Ein  Beispiel für ein solches Buch soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Es handelt sich um ein in Zusammenarbeit von Emanuel Frynta (Entwurf, Text und graphische Gestaltung) und Jan Lukas (Fotografien) entstandenes Buch aus dem Jahr 1962. Jan Lukas (1915-2006) emigrierte drei Jahre nach Erscheinen des Bandes aus der Tschechoslowakei in den Westen und übersiedelte schließlich in die USA. Zuvor war er auch durch politische Reportagen aufgefallen. Die Bebilderung von Kinderbüchern war wohl eher ein Nebenschauplatz seiner fotografischen Tätigkeit.

Erzieherischer Impetus

Wie es sich für so viele Kinderbücher gehört, fehlt natürlich auch hier nicht der erzieherische Impetus: „Ehrlich währt am längsten!“ könnte in diesem Fall das Motto sein. Aber zugleich spielen die erzählten Geschichten auch mit der Faszination an unglaublichen Lügengeschichten à la Münchhausen. Der kleine Hund Hell erzählt solche seinen zahlreichen Geschwistern. Und wird dann doch immer wieder durch deren Kommentare (mehr oder weniger sanft) in die Realität zurückgeholt, wenn seine Flunkereien allzu unglaubhaft werden.

 

 

Die sieben Geschichten sind ideenreich in illustrierende Fotografien umgesetzt. Und für jede der Geschichten findet sich eine individuelle Sprache der Bebilderung. Jan Lukas und Emanuel Frynta arbeiten dabei mit zahlreichen Montagen und freigestellten Motiven. Oder in der Geschichte, die im Land „Kehrvertien“ spielt, werden kurzerhand die Bilder im Negativdruck gezeigt. Sehr passend, da in diesem Land alles ein bisschen anders ist und sich umgekehrt zu den Erwartungen verhält. Ein Land, in dem die Schimmel schwarz und die Rappen weiß sind.

 

 

Den Höhepunkt erreichen die geschilderten Heldentaten des kleinen Hell, wenn er in der letzten Geschichte wacker und ganz alleine den gefürchteten Gockelhahn in die Flucht schlägt. Während sich die „Armee“ der Scott-Terrier furchtsam zeigt, lässt sich Hell nicht vom drohenden, ganzseitig mit funkelndem Auge und scharfen Krallen abgebildeten Hahn einschüchtern. Und siehe da, die nächste Seite zeigt den ganz klein gewordenen Hahn schnurstracks davonlaufend. Dumm nur, dass die Geschwister Hell jetzt selber eine Lügengeschichte auftischen, nämlich die vom vor der Türe lauernden Hahn. Als sie Hell auffordern, sich dem Kampf mit dem Hahn zu stellen, wird das Hündchen plötzlich ganz kleinlaut und möchte sich unter großem Gejammer am liebsten mit seinen Geschwistern in der schützenden Kiste verkriechen.

 

Ausgabe in tschechischer Sprache

Die tschechische Ausgabe erschien erst zwei Jahre später und unterscheidet sich in einigen Ausstattungsmerkmalen eher unbedeutend von der hier besprochenen Auflage. So wurde zum Beispiel auf die Musterung des Vorsatzpapiers und auf den Leinenrücken verzichtet. Auch die Seitenzahl fällt aufgrund des etwas veränderten Layouts unterschiedlich aus. Was aber bei den beiden mir vorliegenden Exemplaren wirklich auffällt, ist ein deutlicher Unterschied im Druck der Bilder, die in der tschechischen Ausgabe wesentlich heller abgebildet sind. Aber vielleicht gilt das ja auch für Teile der deutschen Auflage, weil der Druck nicht ganz einheitlich ausfiel? Angemerkt sei noch, dass sich die Namen der Hunde ebenfalls unterscheiden. So wird aus dem Hauptdarsteller Hell der kleine Hund Hasan. Die übrigen Namen können Sie dem rückwärtigen Einband des Buches entnehmen, der die ganze Geschwisterschar zeigt, ein veritables Hunde-ABC.

 

Rückseite Cover deutsche Ausgabe

Rückseite Cover tschechische Ausgabe

Weitere Bücher 

Auf der rückwärtigen Klappe des Schutzumschlags wird für ein weiteres Kinderbuch geworben, das bereits im Jahr 1959 erschien. Als Textautorin von „Vom einsamen Kätzchen“ fungiert Lotte Elsnerová, die für den hier besprochenen Band als Übersetzerin genannt wird. Die Fotografien stammen von Václav Jíru. Das Buch unterscheidet sich in der Aufmachung und Gestaltung deutlich und ist was die Bebilderung angeht wesentlich konventioneller gehalten. Ganz ähnlich dagegen kommt „Reni und das Reh“ daher, ein weiteres Gemeinschaftswerk von Frynta und Lukas. Wobei nicht nur diese beiden Kinderbücher des Tandems erfolgreich waren, sondern auch das in mehreren Auflagen erschienene Buch „Franz Kafka lebte in Prag“. Die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden erstreckte sich also nicht nur auf den Bereich des Kinderbuchs.

 
Reni und das Reh, vorderer Einband Reni und das Reh, rückwärtiger Einband
 

 

Fakten:
 
Emanuel Frynta, Jan Lukas: „Vom lügenhaften Hündchen“, Prag 1962
Artia
88 Seiten, fotografische Illustrationen in S/W, 28,5 cm x 21 cm
Halbleinen mit fotoillustriertem Schutzumschlag
 
 
Emanuel Frynta, Jan Lukas: „o chvástavém štěněti“ , Prag 1964
SNDK
84 Seiten, fotografische Illustrationen in S/W, 28,5 cm x 21 cm
fotoillustriertes Hardcover, Schutzumschlag?
 
 
Emanuel Frynta, Jan Lukas: „“Reni und das Reh“, Prag 1962
Artia
88 Seiten, fotografische Illustrationen in S/W, 28,5 x 21 cm
Halbleinen mit fotoillustriertem Schutzumschlag
 
 
Emanuel Frynta, Jan Lukas: „Franz Kafka lebte in Prag“, Prag 1960
Artia
150 Seiten, S/W Fotografien von Jan Lukas (+ historisches Bildmaterial), 27,5 cm x 24 cm
Leinen mit fotoillustriertem Schutzumschlag 
 
 
 
Lotte Elsnerová, Václav Jírů: „Vom einsamen Kätzchen“, Prag 1960 (2. Auflage)
Artia
80 Seiten, 81 Abbildungen in S/W, 28,5 cm x 20,5 cm
Leinen mit Prägung in fotoillustriertem Schutzumschlag