Bumbata
Das Gefängnis in Aiud in Rumänien ist der Schauplatz dieses Buches mit Bildern des Fotografen Cosmin Bumbuţ (geb. 1968). Bumbata ist die umgangssprachliche, rumänische Entsprechung für den Begriff Knast. Ein Gefängnis in Rumänien, das klingt zunächst nach ziemlich harter Kost. Und wer die auf manchen Bildern auftauchenden und in Manier von Terrorbekämpfern maskierten Wachleute sieht, wird sich in Bezug auf das tägliche Leben im Gefängnis wahrscheinlich keinen großen Illusionen hingeben. Cosmin Bumbuţ hat in seine Bilder und deren Anordnung fürs Buch aber auch eine ganze Menge Humor gesteckt. So folgen auf die zahlreichen Heiligenbilder und Ikonen, die in den Fotografien des ins Gefängnis integrierten Kirchenraums auftauchen, sogleich die in den Häftlingsräumen plakatierten, typischen Spindposter. Wobei noch wesentlich mehr nackte Frauen in Form von Tattoos im Buch präsent sind. Diese Tattoos sind offensichtlich nicht nach den hierzulande inzwischen gängigen Musterkatalogen gestylt und entworfen. Sie wirken eher roh und manchmal auch etwas unbeholfen. Viele davon sind wahrscheinlich im Gefängnis selber entstanden, jedenfalls erscheint auch ein Bild von einer solchen Tätowieraktion unter Häftlingen.
Rundgang durch das Gefängnis
Das Buch zeigt nacheinander unterschiedliche Bereiche des Gefängnisses. So beginnt der „Rundgang“ mit einem Einblick in die Schulräume, worauf Bilder aus dem schon erwähnten Kirchenraum folgen. Zahlreiche Einzel- aber auch Gruppenporträts, ein Einblick in die Küche und die Ausgabe des Essens, sowie die Begleitung eines Häftlings bei seiner Entlassung sind weitere thematische Schwerpunkte.
Doppelseite aus dem Buch © Cosmin Bumbuţ |
Die Gestaltung des Buches stammt vom Fotografen selber. Ein kreisrundes Loch im Deckel, durch das man einen als Engel verkleideten jungen Mann sieht, würde wahrscheinlich die wenigsten auf den Gedanken bringen, dass es sich bei diesem Buch um Innenansichten aus einem Hochsicherheitsgefängnis handelt. Das kleine Guckloch symbolisiert aber das der Beobachtung der Häftlinge dienende Fensterchen in den Türen der Zellen und damit den Einblick in eine Außenstehenden normalerweise verborgene Innenwelt. Und ist zugleich ein Beispiel für die schöne Ausstattung des von Bumbuţ selbst gestalteten und im eigenen Verlag herausgegebenen Buches. Die als Lesebändchen dienende grobe Kordel ist insbesondere für den Betrachter nützlich, der nicht die in rumänischer Sprache abgedruckten Texte lesen kann und auf die englische Übersetzung im Anhang angewiesen ist.
Raum zur Selbstdarstellung
Bumbuţ lässt den Porträtierten viel Raum zur Selbstdarstellung. Ausführlich führen sie ihre Tattoos vor. Aber auch bedruckte T-Shirts und Sonnenbrillen dienen dem selbstbewussten Styling der Gefängnisinsassen. Wahrscheinlich möchte man nicht allen Abgebildeten im wahren Leben gegenüberstehen. Aber der Fotograf vermied bei seiner über einige Jahre dauernden Arbeit bewusst Diskussionen über und Einblicke in das Vorleben oder die Straftaten der Gefängnisinsassen. Wobei er in seinen Erläuterungen zum fotografischen Projekt, die im Anhang der Publikation abgedruckt sind, dann doch einen der Häftlinge mit den Worten zitiert: „Boss, you can leave the jacket wherever you like, we are murderers not thieves.“
Doppelseite aus dem Buch © Cosmin Bumbuţ |
Die Fotografien aus dem Gefängnis in Aiud sind nicht das einzige Projekt des Fotografen aus dem Bereich des rumänischen Strafvollzugs. In der von ihm zwischen 2009 und 2010 herausgegebenen Fotozeitschrift Punctum findet sich in der ersten Ausgabe eine Bildstrecke mit Fotografien aus einem Frauengefängnis. Aufgenommen von den dort inhaftierten Frauen selber, denen Cosmin Bumbuţ sechs Kameras in die Hände gab. Die Zeitschrift Punctum ist übrigens ein weiteres bemerkenswertes Projekt des ziemlich umtriebigen Fotografen. Sie bietet Einblicke in Portfolios rumänischer FotografInnen, aber auch Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Rumänien und ist auch für die der rumänischen Sprache nicht mächtigen Betrachter durchaus empfehlenswert.
Bunt gestaltete Textbeiträge
Aus den im Laufe der Jahre entstandenen mehr als 15.000 Bildern hat Cosmin Bumbuţ das hier vorgestellte Buch zusammengestellt, das im Übrigen in Rumänien erst kürzlich mit dem Preis für das schönste Illustrierte Buch des Jahres ausgezeichnet wurde. Gewissermaßen als Begleitstimme zu diesem Rundgang durch das Gefängnis dienen die handschriftlichen Äußerungen von Gefängnisinsassen, die Bumbuţ abfotografierte und dann als Reproduktionen in seine Publikation integrierte. Zum Teil stammen diese oft bunt gestalteten Textbeiträge aus einer von Hand produzierten Zeitschrift der Gefangenen. So lässt der Fotograf die Gefangenen also nicht nur in den Portrtätfotografien, sondern auch buchstäblich zu Wort kommen. Vervollständigt wird das Buch durch ein Vorwort von Attila Bartis, der die Arbeit von Bumbuţ so kommentiert: „He is not constrained by documentation, nor by shocking. … he does not judge, not even with his humor.“