Forandringen

Vielleicht sollte man über Bücher, die man nicht wirklich bis ins Detail versteht, lieber nichts schreiben. Aber da es mich immer wieder zu diesem Buch von Krass Clement zieht, will ich es trotzdem versuchen. Die meisten Bücher dieses Fotografen beschränken sich auf S/W-Fotografien. Und eigentlich liegt darin keine Beschänkung, sondern vielleicht nur eine besondere Genauigkeit und Konzentration. Desto erstaunlicher ist es für mich, wenn der gleiche Fotograf so souverän mit Farbe umgeht. Obwohl das vielleicht zentrale Bild dann doch wieder ein S/W-Foto ist, das einzige im Buch. Ein Foto von einem Autounfall, wahrscheinlich mit Toten. Vielleicht ein programmatisches Bild, das nicht nur in diesem einen Buch von Krass Clement auftaucht. Und ein Bild, das ganz offen für die Präsenz des Todes in seinem Werk steht.

Lust am Schauen

Nun klingt das sehr eindimensional, wenn man das Buch so zusammenfassen wollte, als gehe es um Strassenbau, Bilder von zerknautschtem Blech und schlussendlich einen Blumenstrauss, der auch ein letzter Gruß auf einem Grab sein könnte. Und so einfach ist das bei Krass Clement natürlich auch nicht. Der Tod mag in fast jedem einzelnen Bild präsent sein, aber zugleich sind seine Bilder durchdrungen von einer Lust am Schauen und damit auch am Leben. Bilderfolgen wie ein metallener Zaun vor einem Haus, dessen Ornament im pinkfarbenen Stoffgeflecht des nächsten Fotos aufgenommen wird. Das dann in gleichfarbigen Pullis und danach in einer ebensolchen Socke weitergeführt wird, um in einem pinkfarbenen Pfeil auf rauhem Untergrund nicht zu enden, sondern auf einen sauber geharkten Gartenweg zu führen. Das letztere Foto dann, wie so oft bei Clement, ein Blick durch ein Fenster oder eine Tür. Das sind hinreissende Bildfolgen. Und ja, die Richtung all dieser Veränderungen könnte dann doch die Richtung auf den Tod sein. Das Buch legt es in manchen Momenten nahe. Der Gartenweg scheint zumindest optisch zu enden. Und trotzdem strahlt diese brillante Sequenz eine unglaubliche Lebendigkeit aus.

Nähe von Leben und Tod

Dass es sich bei Forandringen nicht um eine allzu simple Folge von Bildern in gerader Richtung handelt, mag auch an den Porträts liegen, die eine weitere wichtige Dimension dieses Bandes darstellen. Oder daran, dass Krass Clement in allen seinen Bildern so präsent ist. Nicht nur wenn, wie so oft in seinem Werk, seine Hand zu sehen ist, die das Bild buchstäblich begreift. Da ist die Präsenz des Fotografen ganz offen zu sehen und zugleich eine starke Energie zu spüren. Dieses Buch ist es wert, von jedem Betrachter auf eigene Weise entdeckt zu werden. Es gibt wie in vielen Büchern von Krass Clement keinen Text, der in irgendeiner Form die Richtung vorgeben würde, in der die Bilder zu lesen sind. Auf eigene Assoziationen angewiesen zu sein, mag verstören. So wie diese Bilder verstören. So wie die Nähe von Leben und Tod in seinem ganzen Werk verstört.

Fakten :

Krass Clement : "Forandringen", Kopenhagen, 2002

Gyldendal

ISBN : 87-02-01587-0

96 Seiten, 80 Abbildungen (davon 1 in s/w), 30 cm x 25 cm