Toter Erde schöner Schein - Industrial Scars
Manche Fotobücher kommen ganz ohne Worte aus. Das gilt nicht für das hier vorgestellte Buch J.Henry Fairs und die dazugehörige Ausstellung im Deutsch-Amerikanischen-Institut (d.a.i.) in Tübingen. Hier sind die Bilder eher eine Art visuelles Eintrittstor für durch Texte verabreichte Informationen. Die Bilder als Augenöffner im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie benötigen die Unterstützung von Worten, in denen die harten Fakten einer fortschreitenden Umweltzerstörung beschrieben werden.
Umweltaktivist und Fotograf
J. Henry Fair bezeichnet sich selber als Umweltaktivisten. Und bei seinen einleitenden Worten zur Ausstellung tritt das Thema der Gefährdung der Umwelt durch den Abbau von Rohstoffen und industrielle Produktionsprozesse auch viel stärker in den Vordergrund als eine Beschreibung seiner fotografischen Tätigkeit. Da geht es mehr um PH-Werte und chemische Reaktionen als um Kameras und Pixel. Er erzählt von Umweltkatastrophen und den Herausforderungen des Klimawandels viel mehr als von Bildkonzepten und visuellen Strategien. Es geht ihm mit den im d.a.i. gezeigten Arbeiten vor allem um die Erzeugung von Aufmerksamkeit für Vorgänge, deren Brisanz sich durch die Bilder alleine nicht entschlüsseln lässt.
Viele der in der Ausstellung gezeigten Aufnahmen sind Luftbilder, die auch deshalb zunächst so abstrakt wirken, weil der Betrachter Zeit braucht, um Maßstäbe für die Größe der abgebildeten Strukuren zu finden. Manches dieser Bilder könnte sich auf den ersten Blick auch der Sicht durch ein Mikroskop verdanken.
"Inside of tank at oil sands upgrader" © J.Henry Fair |
Durch die großformatigen Prints kommt die Möglichkeit der Hängung im d.a.i. an ihre Grenzen. Der eher schmale Gang bietet nicht immer die Chance dazu, sich den Bildern aus genügender Entfernung zu nähern. Trotzdem wurde für die Ausstellung eine alles in allem eindrucksvolle Installation der Bilder erreicht.
Ausstellungsbesucher können in einem ausliegenden Ordner nachlesen, was sich hinter den Bildern und ihrer glänzenden Oberfläche verbirgt. Da entpuppen sich die farbenfrohen Schlieren als Folge potenter Umweltgifte und die bizarren Oberflächenstrukturen als das Ergebnis enormer Erdverschiebungen durch den Tagebau. So ist der Begriff Industrial Scars nicht weit hergeholt, denn es geht Fair um die Sichtbarmachung von Wunden und Narben, die der Erde durch industrielle Prozesse zugefügt werden.
Text und Bild
Ein bisschen erinnern die Aufnahmen J. Henry Fairs an die Arbeiten Edward Burtynskys, die derzeit so häufig in Buchpublikationen und Ausstellungen zu sehen sind. Auch Fairs Aufnahmen werden weithin publiziert. Das National Geographic Magazine und die New York Times gehören zu seinen Referenzen. Sein Buch ist denn auch im renommierten PowerHouse Verlag erschienen. Es enthält als integralen Bestandteil zahlreiche Texte verschiedener Autoren, die ebenfalls einen Blick hinter die manchmal verstörend schönen Bilder werfen. Oder wie Jessica Strain es in ihrem Einleitungsvortrag zur Eröffnung der Ausstellung formulierte: „As an artist his aesthetic eye focuses our attention to the beauty of his subject matter, as an environmentalist he tells us a story about industry and the degradation it causes.“
Buchcover © J.Henry Fair |
Fakten:
Ausstellung „Toter Erde schöner Schein – Industrial Scars“, Fotografien von J. Henry Fair im d.a.i. Tübingen vom 22.03.2013 bis zum 31.05.2013
Website des d.a.i. mit Informationen zur Ausstellung
Website des Fotografen mit weiteren Bildern und Informationen zur Werkgruppe Industrial Scars
Buch:
J. Henry Fair: „The Day After Tomorrow. Images of Our Earth in Crisis“, New York 2011
powerHouse Books
ISBN: 978-1-57687-560-5
144 Seiten, 80 farbige Abbildungen, 23 cm x 30,5 cm