Atlantis, Jahrgang 1937

Atlantis, Januar 1937
 
Heute wäre wahrscheinlich von Cross Media Marketing oder Synergieeffekten die Rede: Der Abdruck von Bildstrecken in Zeitschriften und Magazinen, parallel zur Veröffentlichung des Bildmaterials in Buchform. Dazu Anzeigen mit Informationen zum jeweiligen Buch in weiteren Publikationen. Aber das gab es auch schon früher. Roland Jäger geht in seinem  Beitrag zur Buchreihe „Orbis Terrarum“, der 2012 im zusammen mit Manfred Heiting herausgegebenen Buch „Autopsie“ erschienen ist, z.B. auf das Zusammenspiel zwischen diesen Länder-Bildbänden und der Zeitschrift „Atlantis“ ein.
 

Zeitschrift - Buch - Zeitschrift

Ein Beispiel für eine Anzeige, welche die genannte Buchreihe bewirbt, findet sich auch in den Atlantis-Heften des Jahrgangs 1937, die hier kurz vorgestellt werden sollen. Das verlegerische Doppelspiel ist nicht verwunderlich, denn zu diesem Zeitpunkt erschienen die Bände von Orbis Terrarum bereits im Atlantis-Verlag. Und der Herausgeber und Gründer der Zeitschrift und des Verlags Martin Hürlimann (1897-1984) war auch für die Bebilderung einiger der Bände der Reihe als Fotograf verantwortlich. Aber auch zahlreiche andere Verweise auf Fotobücher, die mehr oder weniger parallel erschienen, lassen sich in den Atlantis-Heften finden. Erwähnt sei zum Beispiel ein Artikel mit Bildern von Ernst A. Heiniger zum Thema „Puszta-Pferde“. Der entsprechende Bildband mit gleichem Titel stammt von 1936 und erschien in mehreren Auflagen und Ausgaben auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Oder es finden sich Japan-Bilder Fritz Henles, die im Jahr zuvor im Buch mit dem Titel „Das ist Japan“ im Heering Verlag erschienen waren. Genauso werden Bilder Martin Hürlimanns aus dem parallel im Atlantis Verlag erschienenen Band "Gotische Kathedralen in Frankreich. Paris, Chartres, Amiens, Reims" gezeigt, und für diesen in Annoncen geworben.
 
 
Neben diesen und weiteren Bildstrecken, die im engen Zusammenhang mit Buchpublikationen stehen, gibt es natürlich eine ganze Menge weiteren Materials in den Heften der Zeitschrift zu finden. Durchaus interessante Werbung von Kameraherstellern, Verlagen, Autoproduzenten oder Sektmarken. Aber auch viele literarische Beiträge teilweise bekannter Autoren. Genannt seien hier nur Honoré de Balzac, Paul Valéry, Rudyard Kipling oder Norbert Jacques. Letzterer als Schriftsteller vor allem bekannt durch die Schaffung der Figur des Dr. Mabuse.

Regi Relang

Was für mich vielleicht die größte Überraschung in diesen Heften des Jahrgangs 1937 ist, das sind die diversen Bildstrecken von Regi Relang (1906-1989), die ich eigentlich nur durch ihre Modefotografie aus der Nachkriegszeit kannte. Im Juni-Heft, das mit „Pariser Bilderbogen“ betitelt ist, finden sich (neben den zahlreichen, ebenfalls aus diversen Buchproduktionen bekannten Bildern des Herausgebers Martin Hürlimann) auf fünf Seiten Fotografien Relangs unter dem Titel „Pariser Strassenzirkus“. Ebenfalls eindrucksvoll ihre Fotografien aus der Türkei, die im März-Heft über 24 Seiten, begleitend zu einem Artikel von Karl Klinghardt erschienen. Typisch, dass ein Teil dieser Bilder im Tiefdruck produziert wurde. In allen Heften des besprochenen Jahrgangs finden sich solche Seiten, die dann meist ganzseitig abgedruckte Reproduktionen von Fotografien zeigen. Nicht ganzseitig in Tiefdruck, sondern kleinformatiger, auf glänzendem Papier sind Relangs Bilder im Oktoberheft zur Weinlese in Portugal gedruckt. Ebenfalls aus Portugal stammen Relangs Fotografien unter dem Titel „Bauernparade“ im April des Jahres. Eine Aufnahme aus der Reportage schmückt auch das Cover dieser Ausgabe der Zeitschrift. Übrigens finden Sie alle Cover des Jahrgangs im Anhang dieses Textes abgebildet.
 
 
Eher ein Kuriosum sind die Aufnahmen O. Pastiors vom Urzelnlaufen, einem alten Faschingsbrauch im siebenbürgischen Agnetheln. Ob es sich eventuell um Fotografien des Vaters von Oskar Pastior, des 2006 verstorbenen Literaten handelt, konnte ich bisher leider nicht verifizieren. 
 
Nicht zu kurz kommen verschiedene Expeditionsberichte u.a. von Hugo Adolf Bernatzik. So steht die Beschreibung exotischer Schauplätze manchmal recht unvermittelt neben Berichten aus der heimischen Tier- und Pflanzenwelt.  Als weitere Fotografen, die mit Bildstrecken vertreten sind, seien noch Pierre Verger, Robert Flaherty (mit Bildern zu einem seiner Filme), Walter Hege, Alfred Ehrhardt und Hans Retzlaff genannt. Letzterer ist mit einem für ihn typischen, trachtenlastigen Bildbericht zu einer Bauernhochzeit im Elsass vertreten.

Martin Hürlimann

Wer sich für Martin Hürlimann interessiert, den Herausgeber der Zeitschrift Atlantis, wird bei Wikipedia mit einem kurzen Übersichtsartikel fündig. Unter anderem kriegsbedingt verlegte Hürlimann die Aktivitäten fast komplett in die Schweiz, wurde aber nach dem Krieg auch von Freiburg aus aktiv. 1964 schließlich ging die Zeitschrift Atlantis in der bekannten, noch heute existierenden Kulturzeitschrift „DU“ auf, die in Zürich erscheint. Viel mehr als ein Namedropping bietet diese kurze Vorstellung des Jahrgangs 1937 jetzt leider nicht. Aber vielleicht dient sie ja als Anregung, sich mal mit älteren Zeitschriften und Magazinen zu beschäftigen. Wer nicht gleich Zugriff auf mehrere Originalhefte der Zeitschrift hat, kann sich auch mit einem Blick in das Buch „Atlantis-Querschnitt“ behelfen. Dort ist eine Sammlung einiger Reportagen und Berichte aus der Zeitschrift im Original-Layout abgedruckt. Aus dem Jahrgang 1937 findet sich dort allerdings kein Beitrag.
 
 
 

 

Fakten:
 
Martin Hürlimann (Hrsg.): „Atlantis. Länder/Völker/Reisen“, Zürich 1937
Bibliographisches Institut AG Leipzig und Atlantis Verlag Zürich
Sitz der Schriftleitung in Berlin-Grunewald
IX. Jahrgang, 12 Hefte
insgesamt 756 Seiten (+zusätzliche Seiten in römischer Zählung mit Werbeanzeigen und Artikeln), 29 cm x 21 cm
 
 
„Atlantis-Querschnitt. Die dreißiger Jahre im Spiegel einer Zeitschrift“, Zürich/Feiburg im Breisgau 1978
Atlantis Verlag
ISBN: 3-7611-0536-3
160 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 23 cm x 20,5 cm, Paperback
 
 
Manfred Heiting, Roland Jaeger: „Autopsie. Deutschsprachige Fotobücher 1918 bis 1945. Band 1“, Göttingen 2012
Steidl Verlag
ISBN: 978-3-86930-412-0
516 Seiten, zahlreiche Abbildungen insbesondere von Umschlägen und Einbänden, 29 cm x 27 cm
 
 

 

 

Martin Hürlimann Herausgeber
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