Diary of a field worker 2006-2013
Dieses Jahr war Thomas Bonfert (geb. 1967) bereits zum zweiten Mal mit einem seiner Bücher beim Festival in Kassel unter den ausgestellten Publikationen des Dummy-Wettbewerbs vertreten. Sein Zine „Herrenreise“ schaffte es unter die Top 50. Vorstellen möchte ich hier allerdings sein beim gleichen Wettbewerb im Jahr 2010 auf der Shortlist vertretenes Buch „Tagebuch eines Außendienstmitarbeiters“. Damals also noch unter dem deutschsprachigen Titel angetreten, gibt es inzwischen eine neue Auflage im Digitaldruck mit englischsprachigem Titel. Das 2010 in Kassel ausgestellte Dummy-Exemplar hatte mich trotz einiger technischer Mängel in der Anordnung der Bilder ziemlich beeindruckt. Noch viel besser gefiel mir dann die von Bonfert in kleiner Auflage hergestellte Ausgabe mit aufgeklebten Originalprints in Form eines Albums, die ich damals gleich für meine private Sammlung erworben habe und die seitdem eines der meistgezeigten Objekte geworden ist, wenn ich Besuchern mögliche Formen von Fotobüchern vorstelle.
Bilder im Vorbeifahren
Jetzt gibt es also eine neue Ausgabe, die auch eine ganze Reihe zusätzlicher Bilder enthält, aber trotzdem die bereits bekannten Highlights zeigt. Ganz einzigartig ist die Vorgehensweise des Fotografen nicht. „Drive-By Shootings“ nennt sich z.B. das Buch des New Yorker Taxifahrers David Bradford. Und im Vorbeifahren entdeckt auch Thomas Bonfert seine Bilder. So entwickelt sich in deren Abfolge so etwas wie ein visuelles Tagebuch mit Auffälligem aber auch ganz alltäglichen Beobachtungen. Man bemerkt, dass der Fotograf die Motive zwar im Vorbeifahren findet, sich aber trotzdem oft Zeit nimmt für die Gestaltung der Bilder, die mit einer kleinen digitalen Kamera entstehen. So fährt er auch mal um einen Block und kehrt zurück, um ein plötzliche entdecktes Motiv vom gewünschten Standpunkt aus abzubilden. Thomas Wiegand hat für diese Mischung von Bildern und seine kurze Besprechung im immer wieder empfehlenswerten Kasseler Fotobuchblog den schönen Titel „Straßenrandbilder aus Absurdistan“ gewählt.
© Thomas Bonfert |
Es gibt hinreissende Bilder in dieser Sammlung, so wie die Gruppe von Malern an einer Mauer. Bonfert zeigt Berge von Mostobst, einen Straßenfussballer, einen verlassenen Rastplatz, eine Bank mit Baum und Käsewerbung oder eine Seniorenwandergruppe. Was all diese so unterschiedlichen Sujets zusammenhält, ist zum einen der formale Bildaufbau. Der Ausschnitt der Bilder, der immer durch die Autofensterumrandung begrenzt ist und dem manchmal die Reflektion im Außenspiegel des Autos das i-Tüpfelchen aufsetzt. Der Blick durchs Seitenfenster als Blick auf die Bühne des Lebens. Zum anderen sind für mich die meisten Bilder geprägt von einer nicht ganz leicht fassbaren Melancholie. Seien es das Wild hinter dem Gitter, der grau-weiße Schneeberg oder die Orchideen im Fenster. Aber es bringt nicht viel zu beschreiben, was auf den Bildern im Einzelnen zu sehen ist. Am besten verschaffen Sie sich auf der Website des Fotografen selber einen Einblick in diese Bilderwelt.
© Thomas Bonfert |
Digitaldruck oder originale Prints
Das dieses Jahr veröffentlichte Portfoliobuch ist als relativ preiswerte, digitale Produktion die derzeit einzige noch lieferbare Ausgabe. Aber für mich ist immer noch das Album mit den originalen Fotoprints die stimmigste Variante dieses Buchs von Thomas Bonfert.
Die Montage von Originalprints auf den Seiten einer Publikation hat der Fotograf übrigens auch für ein weiteres seiner fotografischen Projekte gewählt. „The Workshop“ schildert die Werkstatt seines Vaters nach dessen Tod. Die sehr persönliche Arbeit befindet sich zwischen hölzernen Buchdeckeln, die kongenial zum Thema des Buches passen, das eine ganz eigene Annäherung an einen nahestehenden Menschen bietet. Diese Konzentration auf die fotografische Erfassung eines Raums mit all den Erinnerungen an einen Menschen, die in kleinen Details spürbar werden, ist ein sehr schöner Kontrapunkt zur Welt, die draußen hinter den Autofenstern liegt.
Fakten:
Thomas Bonfert: „Diary of a field worker 2006-2013“, Wien 2013
Eigenverlag ohne ISBN
Portfoliobuch
94 Seiten, 86 Abbildungen, 16 cm x 21 cm, fotoillustriertes Softcover
Website des Fotografen mit Informationen zu weiteren Publikationen und Projekten