Ein Monat Berlin

Autor(en): 
Sigrid Estrada: "Ein Monat Berlin", Mainz 1979

Die Fotografin Sigrid Estrada wird vielen hier Mitlesenden wahrscheinlich kein Begriff sein. Obwohl ihre Bilder ziemlich weit verbreitet sind. Allerdings nicht wirklich auffällig in eigenen Bildbänden oder Fotobüchern. Sondern auf den Umschlägen von Romanen, zur Begleitung der Klappentexte von Literatur. Sie hat sich nämlich auf Porträts von Schriftstellern spezialisiert und arbeitet unter anderem für große amerikanische Verlage.

Auftrag des Kultursenats

Estrada lebt seit langem in New York, war in den 1970er Jahren u.a. Assistentin von Irving Penn. Sie ist allerdings in Deutschland geboren und kehrte Ende der 1970er Jahre für einen Monat nach Berlin zurück, um die Aufnahmen für das hier vorgestellte Buch zu fotografieren. Der Auftrag kam vom Kultursenat Berlins für eine Ausstellung in New York unter dem Titel „Berlin Now“, wie Lucie Schauer in ihrem Einführungstext mitteilt.

Porträts sind ein wichtiger Bestandteil des hier vorgestellten ersten Buches von Estrada. Allerdings dann doch etwas anders, als im Fall der von ihr dargestellten Literaten, wo das Einzelbild passen und die ganze „Geschichte“ erzählen muss. Für die Künstler, die sie im Rahmen dieses Berlin-Projekts abbildete, nutzt die Fotografin die Möglichkeit auch Sequenzen über mehrere Seiten laufen zu lassen oder mehrere Bilder auf einer Seite anzuordnen. Sie verwendet als Grundlage des Layouts ein Raster, das von einem bis zu neun Bildern pro Seite reicht, auf denen die Fotografien jeweils mit schwarzem Rahmen abgedruckt sind, was den Rastereindruck noch verstärkt. Das mag etwas schematisch klingen, lässt  aber, wie das Buch anschaulich zeigt, hinreichend Variationsspielraum, um den einzelnen Bildstrecken gerecht zu werden. Dazwischen sind kurze Texte eingeschoben, die Erklärungen zu den einzelnen Künstlern bieten. Diese werden aber im Anhang auch noch kurz mit den wichtigsten biografischen Daten vorgestellt.

 

 

Zu diesen Künstlern gehören Klaus Fußmann, Rebecca Horn, Johannes Grützke, Jakob Mattner und Wolfgang Petrick, die mit ihren Arbeiten oder bei der Arbeit gezeigt werden. Sigrid Estrada tut das auf eine Weise, die beweist, dass sie sich mit den Künstlern wohl nicht nur mal so eben während der Zeit, welche die Aufnahmen benötigten, beschäftigt hat. Ein Anspruch, der ihr auch für ihre heutige Arbeit mit den Schriftstellern sehr wichtig ist.

 

Bilder von Künstlern  und Berlin

Neben den Porträts der Künstler ist das Buch aber auch ein Porträt der Stadt Berlin zu Ende der 1970er Jahre. Zugegebenermaßen angesichts des Auftraggebers keine große Überraschung. Der Titel nimmt ja nicht von ungefähr auf die Stadt und nicht auf die Künstler Bezug. Die Teilung ist präsent in den ausgewählten Bildern, seien es das verbarrikadierte Brandenburger Tor oder die S-Bahnstation Friedrichstraße. Und die Verschränkung zwischen den Bildern der Künstler und der Bilder Berlins im Buch beruht wohl auf einer Vorgehensweise, die Estrada im Buch folgendermaßen schildert: „Immer habe ich meine Leute gefragt: „Gibt es irgendwelche Lieblingspunkte für Sie in Berlin, Orte, die sie magisch anziehen?“ Und so habe ich durch ihre Augen faszinierende Stellen wiedergesehen.“ 

Das narbige Papier gibt dem Buch zusammen mit der ganz eigentümlichen Farbigkeit der Aufnahmen, die wohl ziemlich sorgfältig für Doppelseiten und durchgehende Sequenzen  abgestimmt wurde, eine fühlbare Verankerung in den 1970er Jahren. Aber wie bei so manchem Produkt aus dieser Zeit, lohnt es sich, aus der zeitlichen Distanz mal wieder einen Blick darauf zu werfen.

 

 

 

Fakten:
 
Sigrid Estrada: „Ein Monat Berlin“, Mainz, 1979
Alexander Baier-Presse
ISBN: 3-921223-05-9
80 Seiten, 113 Farbabbildungen (+ 1 S/W Porträt der Fotografin), 20 cm x 30 cm, Softcover
 
 
Website der Fotografin: http://www.sigridestrada.com