Anja Schlamann: "Encanto"

Anja Schlamann, VHS Photogalerie Stuttgart 2014
In Köln erfolgt derzeit der Umbau des Opernhauses, welches in den 1950er Jahren nach Plänen des Architekten Wilhelm Riphahn gebaut wurde. Wie meist bei größeren Bauprojekten gab und gibt es auch hier einige Diskussionen, u.a. über die Möglichkeiten und Probleme in dem denkmalgeschützten Ensemble noch zeitgemäß arbeiten zu können.

Nicht nur Dokumentation des baulichen Zustands

Aber eigentlich geht es in diesem Blogbeitrag natürlich um Fotografie: Anja Schlamann (geb. 1967) hat für Ihr im Kehrer Verlag erschienenes Buch „Encanto“ die Situation vor dem Umbau des Opernhauses festgehalten. So ergibt sich zum einen die Dokumentation des baulichen Zustands der denkmalgeschützten Gebäude. Aber die Fotografin und Architektin bezieht in ihre Bilder in besonderer Weise auch die Nutzung des Komplexes als Theater mit ein. Das wird nicht nur durch die in der Maskenbildnerei oder der für Kostüme zuständigen Abteilung entstandenen Aufnahmen deutlich, welche die Funktion der Räume durch die dort vorhandenen Gegenstände spiegeln. Schlamann inszeniert sich darüber hinaus in manchen der Bilder als Carmen und ist damit nicht nur als Fotografin, sondern auch in einer Paraderolle der Oper präsent.
 
fotoillustriertes Cover des Buches © Kehrer Verlag
 
In Stuttgart gibt es noch bis zum 25.05.2014 die Chance diese Bilder in den Räumlichkeiten der VHS-Photogalerie zu betrachten. Zumeist sorgt Rüdiger Flöge, der Leiter der Galerie, selber für die Hängung der Bilder der dort gezeigten Ausstellungen. Dieses Mal übernahm aber die Fotografin diese Aufgabe. Und ihre Lösung, die für den normalen Zuschauer nicht sichtbaren Teile des Opernhauses, insbesondere die der Technik gewidmeten Räume, die sich im unteren Bereich des Gebäudes befinden, in der Galerie in das obere Stockwerk zu verlegen, ist ein schönes Spiel mit den Gegebenheiten der Gebäude.

Sequenzierung und Rhythmisierung

Die Formate der Bilder in der Ausstellung sind nicht einheitlich. Die reinen Architekturaufnahmen (gerahmt und hinter Glas) sind kleiner als diejenigen Bilder (ungerahmt), welche die verwischt durch die Abbildungen der Räume wirbelnde Carmen zeigen. So ergibt sich über die beiden Stockwerke der Ausstellung verteilt ein ganz eigener Rhythmus der Bilderfolge. Und der Besuch der Ausstellung kann sich auch für den lohnen, der das Buch schon kennt. Es ist interessant, die unterschiedlichen Möglichkeiten der Sequenzierung und Rhythmisierung in Ausstellung und Publikation zu vergleichen. Da in der Galerie ein Buch zur Einsichtnahme ausliegt, hat der Besucher auch vor Ort die Chance dazu.

Zauber, Charme und Reiz

Bei meiner Vorbesichtigung der Bilder war ich zunächst nicht wirklich überzeugt, dass die Einbeziehung der Fotografin in die Bilder, in denen sie als Carmen auftritt, eine Bereicherung darstellt. Aber Rolf Sachsse hat mich mit seiner Einführungsrede dann doch überzeugt: „Das spanische Wort encanto wird im Deutschen mit Zauber, Charme, Reiz oder gar Liebreiz übersetzt, eben genau mit der Figur der Carmen – und die macht den Reiz, die Qualität und die Schönheit der Architektur wie des fotografischen Akts sichtbar."
 
 
 
 

 

Fakten:
 
Ausstellung „Encanto“ von Anja Schlamann in der VHS-Photogalerie in Stuttgart vom 10.04. bis zum 25.05.2014
 
Website der VHS-Photogalerie mit Informationen zur Ausstellung
 
Website der Fotografin auf der sich zahlreiche Bilder des Projekts finden lassen
 
 
Buch:
 
Anja Schlamann: „Encanto“, Heidelberg 2014
Kehrer Verlag
ISBN  978-3-86828-489-8
80 Seiten, 36 Abbildungen in Farbe, 19,5 cm x 24 cm, fotoillustriertes Hardcover
Hrsg. von Rolf Sachsse, Texte von Gunter Geltinger und Rolf Sachsse
(Verlagsangaben)