"Jerry Berndt - Old mole"

Ideal sind die Räumlichkeiten für Ausstellungen eher nicht. Die  Photogalerie der VHS in Stuttgart befindet sich auf dem Gang im 3. und 4. Obergeschoss des „Treffpunkts am Rotebühlplatz“. Da hört man nebenher die Töne aus der Musikschule heraufklingen oder muss sich seinen Weg durch pausierende Kursteilnehmer bahnen. Auch die Lichtverhältnisse sind oft kritisch. Trotzdem ist es für Ausstellungen mit Fotografien einer der wichtigeren Orte der Stadt. Und unbestreitbare Vorteile hat dieser Standort ja auch: Welche Galerie hat schon jeden Tag der Woche von früh bis in den späten Abend (Ausnahme Sonntag, Schließung bereits um 18:00 Uhr statt 23:00 Uhr) geöffnet?

Protest, Politik und Alltagskultur

Zur Zeit sind dort Fotografien von Jerry Berndt zu sehen. Seit der Retrospektive mit seinen Arbeiten im Museum für Photographie Braunschweig 2008 (etwas später bei  C/O Berlin) und dem begleitenden Band „Insight“ (Steidl Verlag“) dürfte er auch hierzulande einem größeren Publikum bekannt sein. Die Ausstellung in Stuttgart trägt den Titel „Jerry Berndt - Old Mole. Protest, Politik und Alltagskultur in den USA zwischen 1967-1977“.

Die Fotografien haben zunächst natürlich einen „historischen" Wert. Und einige Bilder, die vor allem über die Abbildung des Texts von gesprühten Parolen oder Schildern von Demonstrationen funktionieren, würden sich dann auch fast darin erschöpfen. Aber dazu ist Jerry Berndt als "Bild-er-finder" zu gewieft. Und so wirken seine Fotografien, obwohl sie fest in der Zeit ihrer Entstehung verwurzelt sind, erstaunlich frisch. Berndt bringt auf bemerkenswerte Weise fotografisches Gespür mit seinem analytischen Interesse an gesellschaftlichen Zuständen zusammen .

Gegensätzliche Lebenswelten

Die Bilder sind in Stuttgart so gehängt, dass Gegensätze betont werden. Der schicke Strassenkreuzer neben dem zerbeulten Fast-Wrack. Der schwarze Obdachlose neben der strahlend weissen Miss Freedom. Und Gegner und Unterstützer Nixons in einer Art Tryptichon clever getrennt von einem Bild mit einem kleinen Jungen. Die Gleichzeitigkeit völlig verschiedener Lebenswelten wird da sichtbar. Und vielleicht auch ein Stück weit greifbar, was diese Welten  konfliktreich verbindet.

Das ist vom Umfang her keine große Ausstellung. Aber wer Spass daran hat, die verschiedenen Ebenen, auf denen diese Bilder funktionieren, zu lesen, kann dort durchaus einige Zeit verbringen. Ein Besuch lohnt sich.

Fakten :

Ausstellung "Jerry Berndt - Old mole. Protest, Politik und Alltagskultur in den USA zwischen 1967 - 1977"

in der Photogalerie der VHS Stuttgart vom  26.04.2012 bis zum 17.06.2012