Russian Self-Portraits
David Attie begleitete in den 1970er Jahren eine Ausstellung mit Werken amerikanischer Fotografen zu mehreren Orten im damaligen Ostblock. Während dieser Ausstellung des "American Cultural Exchange" in Kiew bot er für die Besucher in einem improvisierten Fotostudio die Möglichkeit zu Selbstporträts. In einem großen Spiegel konnten sie ihre eigenen Posen und Gesten kontrollieren, um anschließend über den Zeitpunkt der Aufnahme per Fernauslöser selbst zu entscheiden.
Die meisten der Fotografien zeigen die Personen oder Personengruppen in Ganzkörperaufnahmen. Eingestreut sind aber auch offensichtlich über den installierten Spiegel aufgenommene Fotografien, welche nur den Kopf oder Oberkörper der fotografierten Person(en) und zugleich eine der verwendeten Kameras zeigen. Einzelpersonen jeden Alters, Paare, Familien, verschiedenartige Gruppen, Männer in Uniform und in Zivil: die porträtierten Besucher der Ausstellung bieten in ihrer Gesamtheit ein durchaus heterogenes Bild. Viele scheinen im Sonntagsstaat erschienen zu sein, andere wirken eher leger gekleidet. Diese Vielfalt, die sich auch auf die mitfotografierten Accessoires wie Taschen, Koffer, Bilder oder auch Regenschirme bezieht, macht dabei durchaus einen Reiz dieser Porträtsammlung aus. Was leider für die Verwendung der unterschiedlichen Aufnahmekonzepte nicht gilt. Da wäre dem Projekt eine Beschränkung auf die meiner Meinung nach am besten funktionierenden Ganzkörperaufnahmen besser bekommen.
Keine strenge konzeptionelle Festlegung
Es gibt gute Gründe manchmal auf eine zu strenge konzeptionelle Festlegung einer solchen Serie zu verzichten. Aber in diesem Fall hätte eine Beschränkung auf weitgehend gleiche Bildparameter (Ausschnitt, Hintergrund, Beleuchtung) dem Ergebnis nicht nur zu einem geschlosseneren Gesamteindruck verholfen. So reicht das Buch leider in seiner Qualität nicht annähernd an ein wenige Jahre zuvor entstandenes Projekt wie "Paare" von Beate und Heinz Rose heran (1972 erschienen im Verlag Langewiesche-Brandt). In Anbetracht des durchaus vorhandenen Reizes vieler der "Russian Self-Portraits" kann man daher vielleicht von einer vertanen Chance sprechen.
Aber vielleicht stand eben anderes als eine durchgeplante Serie von Fotografien oder ein perfektes Fotobuch als Endprodukt im Mittelpunkt dieses Projekts. In seinem kurzen Einleitungstext zum Buch legt Attie vor allem Wert auf den völkerverbindenden Aspekt der Aktion und die persönlichen Begegnungen mit den Menschen in der UdSSR und den anderen besuchten Ländern. So beschreibt er die Absicht der Publikation mit den Worten : "... that people of both our countries may see each other a little more clearly."
Fakten :
David Attie : "Russian Self-Portraits", New York, 1977
Harper & Row, Publishers
ISBN : 0-06-010171-7
96 Seiten, 89 Abbildungen in s/w, 26 cm x 23 cm