"PIMP the TIMP, Volume II"
Auch dieses Jahr gab es im Hotel Timp wieder eine eindrucksvolle Ausstellung im Rahmen der Internationalen Photoszene zu bestaunen. Für mich persönlich vielleicht „das“ Highlight des Ausstellungsparcours. Dieses Mal unter dem Titel „China Stories“, passend zum diesjährigen Leitthema der Photoszene. Im Hinblick auf das Zusammenspiel des Themas der Ausstellung und der mit den Bildern bespielten Räumlichkeiten war wahrscheinlich die Ausstellung von 2010 unter dem Titel „Kunst im Etablissement“ nicht zu überbieten: „Sex, Drugs and Rock'n Roll“ oder so ähnlich. Aber ein Gebäude, das zwar nicht abgerissen, aber total umgestaltet wird und derzeit ziemlich ausgebeint dasteht, hat ja vielleicht durchaus einen symbolhaften Bezug zu den architektonischen und gesellschaftlichen Umbrüchen in China.
Als Anknüpfungspunkt an die Ausstellung im MAKK „Architekturfotografie – Made in China“ könnte man die gezeigten Arbeiten von Ferit Kuyas zum Um- und Ausbau der chinesischen Stadt Chonqing sehen. Vergleichbare fotografische Projekte, welche die gewaltigen Veränderungen in den inzwischen gigantischen Wohnmaschinen Chinas, oder allgemeiner Südostasiens, dokumentieren, gibt es einige. Trotzdem ist es immer wieder faszinierend, die vielen Facetten der dort ablaufenden, rasanten Änderungen in Architektur- und Lebenswelten zu bestaunen. Was diese Veränderungen für die ehemaligen Bewohner der jetzt neu überbauten Gelände bedeuten können, zeigt Wolfgang Müller in seiner Serie „Xizhimen Flat“, in der er die gewaltsame Vertreibung einer Familie aus ihrem Haus schildert.
Sorgfältige Auswahl
Im Gegensatz zu vielen Gruppenausstellungen, die etwas unter der verkürzten und damit manchmal sinnentstellenden Darstellung der einzelnen Positionen leiden, war festzustellen, wie sorgfältig hier auf die Wahrung von Zusammenhängen geachtet wurde. Und wenn dann doch mal ein einzelnes Bild an der Wand hing, passte das auch als Solitär perfekt in die Zusammenstellung.
Für mich die ganz persönlichen Höhepunkte dieser im besten Sinne wilden und bunten Mischung waren die S/W Panoramen Frank Silberbachs aus dem ländlichen China, Katharina Hesses Serie zu Sex-Workerinnen in Bangkok, aber auch die Arbeiten Elaine Lings. Dazu vielleicht noch die klug über die Räume verteilten, großformatigen Beiträge Matthew Sleeths mit ihren roten Farbtupfern. Aber eigentlich ist es fast unfair einzelne FotografInnen hervorzuheben. In dieser Ausstellung im Hotel Timp machte schließlich vor allem die Mischung ganz verschiedener Positionen und ihre äusserst fruchtbare Konfrontation den Rundgang treppauf-treppab zu einem echten Vergnügen.
Detail einer Arbeit Matthew Sleeths auf Eichhörnchentapete |
Einiges an der Ausstellung war sichtlich improvisiert. Der Zeitvorlauf für die Planung war kurz und der Zustand der Räumlichkeiten eine nicht unbedingt schöne Überraschung, die Umbauten in letzter Minute nötig machte. Viele der Wände wurden mit Ausgaben chinesischer Zeitungen tapeziert, um einen einigermaßen geeigneten Hintergrund für die Bilder zu schaffen. Dass trotzdem eine so überzeugende Schau zusammengekommen ist, verdankt sich dem Engagement zahlreicher Beteiligter und natürlich der Kuratorin der Ausstellung Tina Schelhorn. Pannen ließen sich nicht ganz vermeiden. Aber dass da statt Harvey Benges Buch "China Story" ein fälschlicherweise geliefertes anderes seiner Bücher zerteilt als Ausstellungobjekt an der Wand hing, störte letztlich nicht wirklich. Ganz so eng wurde das mit dem Thema "China Stories" sowieso nicht gesehen. Schließlich spielten auch "Hotel Stories" (wie vor zwei Jahren) wieder eine Rolle.
Tina Schelhorn und das zerteilte Buch von Harvey Benge |
Viele der ausgestellten Bilder wurden für diese Ausstellung aus von den Fotografen zugesandten digitalen Bilddateien geprintet. Das ist allemal kostensparender als der weltweite Transport gerahmter Originale. Einige der gezeigten Arbeiten waren eigentlich Reprovorlagen für frühere Projekte. Auch hier also eine bunte Mischung und manches an Improvisation. Aber wen stört das, wenn sich eine so stimmige Gesamtschau ergibt?
Die Kuratorin der Ausstellung Tina Schelhorn machte während ihrer Führung durch das Hotel Timp auch auf Probleme mit der Zensur in China aufmerksam. Dort stattfindende Ausstellungen werden immer wieder durch die dortigen Zensoren begutachtet, einzelne Werke oder ganze Werkgruppen einfach abgehängt. Der Versand von Bilddateien nimmt manchmal fast konspirative Züge an, wenn die chinesischen Fotografen jeden Tag von einer neuen E-Mail-Adresse aus kommunizieren müssen, um Sperrungen im Bereich des Internets zu umgehen.
Aus und vorbei
Mit den Ausstellungen im Hotel Timp ist es jetzt wohl vorbei. Der für das hier beschriebene Ausstellungsprojekt verhängte Baustopp ist beendet. Aber auf der Internetseite kann der Besucher der Ausstellung nochmals vieles des Gesehenen Revue passieren lassen. Eine gute Gelegenheit auf den Internetseiten der beteiligten Künstler tiefer in das ein oder andere Bilduniversum einzutauchen. Während der leider nur kurzen Ausstellungsdauer war das auch mithilfe des Büchertisches im Eingangsbereich möglich, der einige der Kataloge und Bücher von in der Ausstellung vertretenen Künstlern vorstellte und zum ausführlicheren Studium einlud. Filmvorführungen und die angesprochenen Rundgänge durch die Ausstellung mit Tina Schelhorn machten das Beiprogramm perfekt.
Büchertisch im Eingangsbereich |
Fakten:
Ausstellung „PIMP the TIMP, Volume II“ im Hotel Timp vom 15.09.2012 bis zum 23.09.2012
beteiligte Künstler: Manuel Bauer, Wolfgang Bellwinkel, Harvey Benge, Steven Benson, Chili, Michael Christopher Brown, Stefen Chow, Nathalie Daoust, James Whitlow Delano, Luis Delgado, Giulio Di Sturco, Antonio Julio Duarte, Joakim Eneroth, Katharina Hesse, Oyvind Hjelmen, Torben Hoeke, Ore Huiying, Liu Jin, Men Jin & Fang Er, Ferit Kuyas, Kary Ka-Che Kwok, Pok Chi Lau, Elaine Ling, Feng Mengbo, Midori Mitamura, Wolfgang Müller, Andreas Müller-Pohle, Sherman Ong, Tatsumi Orimoto, Wang Qingsong, Michael Rauner, Chris Rauschenberg, Michael Reh, Michael Rhoades, Frank Rothe, Gerard Saitner, Frank Silberbach, Matthew Sleeth, Zsolt Szamódy, Homer Sykes, Ian Teh, Kurt Tong, Linda Troeller, Unity Art Nabiha + Thom, Robert Welsh, Miron Zownir und Wolfgang Zurborn
Website zur Ausstellung unter: www.pimpthetimp.com