Rundgang "21. Internationale Photoszene Köln 2012"
Die Vielfalt der diesjährigen Internationalen Photoszene in Köln ließ sich eigentlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Auch der Schwerpunkt China taugte nur bedingt, um einen roten Faden zu bilden, von dem man sich durch die so unterschiedlichen Ausstellungen hätte leiten lassen können. Dazu gab es dann doch zu viele beachtenswerte Ausstellungen, die nichts mit diesem Thema zu tun hatten. Aber vermisst habe ich diesen Bezug auf ein einheitliches Thema nicht wirklich. Eigentlich ist es viel spannender selber die überraschenden Verbindungen zwischen all dem zu entdecken, was man in so konzentrierter Form in wenigen Tagen zu sehen bekommt.
Von den „historischen“ Ausstellungen haben mir diejenigen zu den Fotografien Walter Ballhauses (siehe den gesonderten Artikel in meinem Blog) und Lotte Jacobis besonders gut gefallen. Natürlich war auch „Decade by Decade“ mit den Werken Walker Evans in der SK Stiftung Kultur einen Besuch wert. Umso mehr, da durch den Vortrag des Sammlers Clark Worswick einige recht interessante Einblicke in die Entstehung und den Aufbau einer solchen Kollektion von Fotografien gegeben wurden. "Die" große Walker Evans Retrospektive ist das aber nicht. Denn auch die Hinzuziehung von zusätzlichen Fotografien, die nicht aus der Worswick-Sammlung stammen, konnte die Lücken an bedeutenden Arbeiten nicht schließen. Selbst wenn die verschiedenen Felder von Evans fotografischer Tätigkeit über die Jahrzehnte eigentlich alle abgedeckt waren.
Schwerpunkt China
Zentrale Ausstellung des Themenschwerpunkts China war die im Museum für angewandte Kunst Köln (MAKK) untergebrachte Schau "Architekturfotografie - Made in China". Kuratiert von Norbert Moos waren hier zeitgenössische Arbeiten chinesischer und westlicher FotografInnen zu sehen, die sich im engeren oder weiteren Sinne mit Architektur beschäftigten. Hierzu war, wie für viele andere Ausstellungen der Photoszene auch, ein gesonderter Katalog erschienen. Ausserdem ist auf zahlreiche Einzelpublikationen der beteiligten Künstler hinzuweisen, die einen Blick wert sind.
Katalog "Feng Yan - Fotografien" von einem der im MAKK vertretenen Künstler |
Architektur war für einige Ausstellungen zu diesem Schwerpunktthema ein gemeinsamer Bezugspunkt. So zum Beispiel für die im Forum für Fotografie gezeigten Arbeiten Shao Yinongs und Mu Chens. Deren Serie "Assembly Halls" zeigte Versammlungsräume aus der Zeit der Kulturrevolution in China. Räume, die in diesen großformatigen Bildern als eine eigenartige Mischung aus Theatersaal, Klassenzimmer und Gotteshaus erscheinen und ziemlich perfekt in Szene gesetzt sind. Ebenfalls der Architektur widmeten sich HG Esch in den gigantischen Formaten seiner Austellung in der Deutschen Bank und Peter Bialobrzeski, der neue Dr.- Erich-Salomon-Preisträger der DGPh, in seinem Vortrag bei der Photographers' Night. Aber davon nachher mehr.
Neben Architektur waren in anderen Ausstellungen aber auch Porträts, Landschaften oder Alltagsszenen aus China zu sehen. Die dem Thema "China Stories" gewidmete Ausstellung im Hotel Timp habe ich im vorigen Blog-Beitrag ja bereits kurz beschrieben.
Bücher in Ausstellungen
Inzwischen ist bei zahlreichen Ausstellungsmachern angekommen, dass in vielen Fällen die Prints an der Wand nicht ausreichen, um einen wirklichen Einblick in die Arbeiten von FotografInnen geben zu können. Aber es bleibt das Problem, wie das zusätzlich hinzugezogene Material, z.B. Bücher, adäquat gezeigt werden kann. Die Lösung mit den in Vitrinen geschützten Exemplaren ist natürlich die für das Objekt Buch pfleglichste. Und bei oftmals sehr teuren Büchern, die nicht so leicht ersetzt werden können, ist dieses Vorgehen auch sehr naheliegend. Für den Betrachter lässt sich mit dem so geschützten Buch allerdings oft nur bedingt etwas anfangen, auch wenn das Objekt der Begierde in der Vitrine schon mal besser ist als nichts. So ließen sich z.B. bei Walker Evans zumindest Beispielseiten seiner Veröffentlichungen im Magazin Fortune im Original betrachten.
Im Hotel Timp war kurzerhand ein Buch Harvey Benges auseinandergenommen worden und hängte dort als Ausstellungsobjekt in einzelnen Bögen an der Wand. Für die Darstellung der Arbeit Benges vielleicht sogar eine naheliegende Vorgehensweise, da Bücher oft die zentralen Endprodukte seiner fotografischen Projekte darstellen. Andererseits hat das, aufgrund der veränderten Abfolge der Bilder gegenüber der im Buch ablaufenden Sequenz, natürlich beträchtliche Konsequenzen für die Wirkung der Serie und unterscheidet sich grundlegend von einem Blättern durch das intakte Buch. Ein Büchertisch im Eingangsbereich des Hotel Timp ermöglichte, bestimmte der gezeigten Positionen durch Hintergrundinformationen und zusätzliches Bildmaterial besser einordnen zu können. Eine willkommene Möglichkeit den Eindruck der Ausstellung durch den Blick in die Bücher zu vertiefen.
Die Ausstellung im japanischen Kulturinstitut hatte, neben den obligatorischen Buchvitrinen mit teils raren Sammlerstücken, während eines Vortragsabends ebenfalls einen Büchertisch zu bieten, der mit Exemplaren aus der Bibliothek des Hauses bestückt war. Eine gute Gelegenheit ein paar Publikationen von an der Ausstellung beteiligten Fotografen in die Hand zu nehmen. Auch zu dieser Ausstellung konnte vor Ort ein kleiner Katalog erworben werden.
Ausstellungskatalog der Japan Foundation: "Metamorphosis of Japan. After the War" |
In der Ausstellung „Lichttestº“ im Alten Pfandhaus wurden Arbeiten aus der Masterklasse an der FH Dortmund gezeigt, aber auch eine ganze Menge Bücher. Da ich dieses Jahr nicht die Ergebnisse des Dummy Wettbewerbs des Kasseler Fotobuchfestivals gesehen hatte, waren mir die Arbeiten neu, obwohl einige der Bücher der Studenten bereits aus diesem Anlass in Paris zu sehen waren. Jetzt konnte ich die diversen Bücher in Ruhe betrachten. Im Fall von Eva Baales war, neben wenigen Bildern an der Wand, das auf einem Stuhl ausliegende Buch sogar das eigentliche Ausstellungsobjekt.
Alleine schon von den Ausmaßen her auffallend war Katja Vogels Buch „Butterfisch Testosteron – Weißraum ist vollkommen überbewertet“. Ganz leicht durchzublättern ist dieses Werk nicht, da jede Menge Pop-Ups und weitere Extras eingebaut sind. So erweitert sich auf manchen Seiten die Fläche des Buches durch das Auseinanderfalten der Seiten auf ein Mehrfaches. Einerseits hat dieses Buch eine spielerische Leichtigkeit, die ganz offensichtlich von einer großen Lust am Schauen und Zeigen lebt, andererseits bietet das Buch aber auch eine ganze Menge Tiefgang. Das alles in einer ziemlich wilden Mischung. Für mich eine wirklich schöne Entdeckung, die das Objekt Buch bis an die Grenzen des Möglichen treibt. Vielen Dank an Katja Vogel für die Präsentation und die Erläuterungen! Sie finden auf Katja Vogels Website einen Einblick in ihr Buch, aber auch zahlreiche Beispiele für ihre Video- und Fotoarbeiten: www.katjavogel.net
Treppen, Flügel und Bücher in der Ausstellung Lichttestº |
Japanische Fotografie
Die bereits angesprochene Ausstellung im japanischen Kulturinstitut unter dem Titel „Die Metamorphose Japans nach dem Krieg, Fotografie 1945 – 1964“ wurde durch einen Vortrag Takeyoshi Tanumas begleitet, von dem auch in der Ausstellung Bilder gezeigt wurden. Tanuma ging neben der bewegenden Schilderung seiner Kriegserlebnisse, die ihn schließlich sein fotografisches Augenmerk vor allem auf Kinder richten ließen, auch auf die in der Ausstellung durch Bilder beschriebene Nachkriegsentwicklung Japans ein. Seine dazu gezeigten Bilder legten folgerichtig einen Schwerpunkt auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen.
Takeyoshi Tanuma während seines Vortrags |
Apropos Japan: Beim Besuch der Galerie Priska Pasquer, inzwischen bei meinen Köln-Besuchen immer eine feste Anlaufstelle, habe ich neben den Fotografien Yutaka Takanashis auch den Begleitband zu seiner Ausstellung in Paris in der Fondation Henri-Cartier-Bresson entdeckt. Dieser zeigt Arbeiten seiner Serien "Golden Gai Bars", "Toshi-E" und "Machi". Mit einemText von Ferdinand Brüggemann versehen, ist dieses Buch in meinen Augen eine lohnende Investition für den an diesem Fotografen interessierten Fotobuchliebhaber.
Photographers' Night
Auch die Photographers' Night fehlte nicht in meinem Programm. Neben der Preisverleihung der BFF-Förderpreise und des Reinhart-Wolf-Preises nebst kurzer Vorstellung der preisgekrönten Arbeiten und Interviews mit ihren Machern, gab es einen vielseitigen Einblick in die Arbeit der Agentur laif. Bettina Flitner, Jörg Gläscher und Peter Bialobrzeski stellten in konzentrierten und kurzweiligen Vorträgen alte und neue Projekte vor. Jörg Gläscher zeigte neben Arbeiten aus seinem Buch zur Bundeswehr „Der Tod kommt später, vielleicht“, denen auch eine sehenswerte Einzelausstellung in den Räumen von laif gewidmet war, auch Beispiele für ein noch laufendes Projekt im Auftrag eines Industriekunden. Peter Bialobrzeski stellte anhand eines Schnelldurchgangs durch sein Buch „The Raw and the Cooked“ die Entwicklung von Wohnformen in asiatischen Megastädten dar, die einen, insbesondere wenn man aus dem beschaulichen, manchmal fast puppenstubenhaften Tübingen mit seiner jahrhundertealten Bebauung kommt, wahrhaft Staunen macht. Die Wiederbegegnung mit Bettina Flitners Projekten wie "Mein Feind" oder "Mein Herz" war ebenfalls willkommen. Besonders schön vielleicht die "Reportage aus dem Niemandsland". Ein guter Anlass, sich die entsprechenden Bücher mal wieder in Ruhe vorzunehmen.
Reinhart-Wolf-Preis 2012 für Helen Sobiralski |
Fazit
Viele Ausstellungen wären noch zu erwähnen: Abe Frajndlichs Fotografenporträts (vgl. meinen gesonderten Beitrag im Blog), amerikanische Landschaftsfotografie im Museum Ludwig, Kuba-Bilder von Michael Horbach in den eindrucksvollen Räumlichkeiten seiner Stiftung, Peter H. Fürsts "Schlachthöfe" oder "Kill your Darlings" von ehemaligen Studierenden bei Peter Bialobrzeski. Und dazu natürlich vieles, was in den vier mir zur Verfügung stehenden Tagen unter den Tisch fallen musste.
Ob und wie das alles zusammenpasst, kann ich nicht sagen. Aber wer gerade José María Mellados gigantische Landschaftskonstruktionen in der Galerie Boisserée gesehen hat, wird ziemlich sicher einen anderen und vielleicht noch ungläubigeren Blick auf die Bilder der asiatischen Mega-Cities werfen. Und vielleicht anschließend bei Lotte Jacobi staunen, wie wenig es die heutige, technische Perfektion braucht, um im ganz kleinen Format zu überzeugenden Bildergebnissen zu kommen.
Alles in allem eine in meinen Augen sehr schöne Ausgabe der Internationalen Photoszene. Und neben den mehr als 60 Ausstellungen wurden insbesondere während der Photokina-Woche auch eine ganze Menge zusätzlicher Veranstaltungen geboten, von denen ich leider nur einen kleinen Teil besuchen konnte. Der Aufenthalt in Köln hat großen Spass gemacht und ich freue mich auf die nächste Ausgabe dieses Festivals.
Fakten:
21. Internationale Photoszene Köln 2012 vom 01.09.2012 bis zum 30.09.2012 (wobei einige Ausstellungen auch noch länger zu sehen sind)
Programmheft als PDF und weitere Informationen auf der Website: www.photoszene-koeln.de