Museum Ludwig in Köln: "Das Museum der Fotografie. Eine Revision"
Vor zwei Jahren erschien Miriam Halwanis „Geschichte der Fotogeschichte 1839-1939“, in der neben den Standardwerken von Josef Maria Eder, Beaumont Newhall oder Giséle Freund natürlich auch Erich Stengers Arbeiten Erwähnung finden. Als Kuratorin der Fotografischen Sammlung des Museums Ludwig in Köln, zuständig für die Bestände bis 1960, verantwortet Halwani jetzt die Ausstellung „Das Museum der Fotografie. Eine Revision“. In dieser Ausstellung geht es um die Sammlung Erich Stenger, die seit langem zur Sammlung AGFA gehört und sich jetzt im Museum Ludwig befindet. Während sich Halwani in ihrem Buch eher an ein akademisches Publikum richtet, allerdings ohne allzu trocken zu werden oder sich in Fußnoten zu verlieren, bietet sich mit der Ausstellung die Möglichkeit, so manche These sinnlich erfahrbar zu machen.
"Erinnerungen des Sammlers Erich Stenger"
Als „Katalog“ zur Ausstellung dient ein im Kehrer Verlag in Heidelberg erschienenes Buch unter dem Titel „Photographien führen wir nicht. Erinnerungen des Sammlers Erich Stenger (1878-1957)“. Dieses wurde ebenfalls herausgegeben von Miriam Halwani. Und die Bezeichnung Erich Stengers als Sammler ist zunächst wahrscheinlich auch die treffendste Beschreibung seiner umfangreichen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Fotografie. Wenn man den ersten Raum der Ausstellung betritt, wird das sehr schön visualisiert durch ein quer vor dem Besucher aufragendes, riesiges Regal, in dem sich so ziemlich alles findet, was man zum Thema sammeln kann: Prints, Negative, Diapositive, aber auch Bücher, handschriftliche Notizen, Kameras, fotografisches Material, Zeichnungen und Gegenstände aller Art mit den unterschiedlichsten Bezügen zur Fotografie. So finden sich in der Sammlung zum Beispiel Hutnadeln mit fotografischen Porträts.
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Marion Mennecken |
Innenlogik der Sammlung - heutiger Standpunkt
Wie lässt sich die Sammlung Stengers, deren Konzept in der Ausstellung immer wieder nicht nur in Bezug auf die Ausstellungs- und Veröffentlichungsaktivitäten während der NS-Zeit problematisert wird, in ein heutiges Kunstmuseum integrieren? Bestände aus der Sammlung wurden bereits im Rahmen vieler Ausstellungen im Museum Ludwig gezeigt. Jetzt kann man aber aufgrund der Konzentraton auf die Bestände Stengers und der Reichhaltigkeit des gezeigten Materials zum ersten Mal sowohl der Innenlogik der Sammlung folgen, als auch von einem heutigen Standpunkt aus darüber reflektieren. Miriam Halwani gibt mit dieser Ausstellung eine ganze Reihe an Interpretationen und Einordnungen vor, aber es bleibt Raum für eigene Beobachtungen und Schlüsse der Besucher.
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Marion Mennecken |
Zentrale Bestandteile der Ausstellung sind die an den Wänden zu „Thementableaus“ geordneten Prints. Da werden zum Beispiel Bilder der Sammlung zur Tier-, Luftbild- oder Porträtfotografie gezeigt. Aber auch ein Büchertisch mit Publikationen Stengers lässt sich finden, an dem man sich in seine Art der Fotogeschichtsschreibung einlesen kann. Einen weiteren Schwerpunkt stellen die ausgestellten Karikaturen und Zeichnungen zum Thema dar, die bei aller Techniklastigkeit der Sammlungskonzeption Stengers dann doch wieder einen überraschend weiten Blick auf soziale Räume öffnen.
Schillernde Vielfältigkeit
Trotz der Ernsthaftigkeit des Unterfangens dieser Revision eines Museums der Fotografie ist aber auch Platz für eher abseitige Aktivitäten Stengers, wie die Beteiligung an einem Film, der in der Ausstellung auf einem Monitor vorgeführt wird. In einer ganz seltsamen Mischung aus wissenschaftlichem Impetus und Traumsequenzen wird hier im Jahr 1921 eine Reise „Im Flugzeug zum Mond“ beschrieben. Erstellt wurde der Film unter Leitung von Adolf Miethe an der Sternwarte der Technischen Hochschule Berlin. Das erreicht vielleicht nicht die poetische Qualität von Georges Méliès Klassiker „Le Voyage dans la Lune“. Aber der Film wirft ein Schlaglicht auf die schillernde Vielfältigkeit von Erich Stengers Interessen.
Zeitgleich findet im Untergeschoss des Museums die Ausstellung „Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979“ statt, die ebenfalls sehr sehenswert ist. Wer mehr über die beiden Ausstellungen erfahren möchte, dem sei neben den angegebenen Bücher und den Informationen auf der Website des Museums insbesondere der Artikel von Christoph Schaden in der aktuellen Photonews-Ausgabe (September 2014) empfohlen. Die Dauer beider Ausstellungen wurde übrigens bis zum 16. November 2014 verlängert. Es bleibt also noch ein bisschen Zeit vorbeizuschauen, zum Beispiel während eines Besuchs in Köln anlässlich der bevorstehenden Internationalen Photoszene oder der Photokina.